EZB kündigt faktisch Zinssenkung an

Wie lange belässt die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen noch auf den aktuellen Niveaus? Dies ist die drängendste Frage, die zuletzt nicht nur unter den Marktbeobachter:innen, sondern auch im EZB-Rat diskutiert wurde. Seit letztem September liegt der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,5 % und der Einlagesatz bei 4,0 %. Wäre es nach einigen wenigen Ratsmitgliedern gegangen, hätte die EZB die Zinsen bereits auf ihrer vergangenen Sitzung am 11. April gesenkt. Schlussendlich hat man sich aber darauf geeinigt, noch einmal abzuwarten. Allerdings hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz eine Zinssenkung für Juni – die nächste Sitzung findet am 6. Juni statt – faktisch angekündigt, nachdem sie diese zuvor nur lose in Aussicht gestellt hatte. Mehrere EZB-Ratsmitglieder sprachen im Anschluss davon, dass die EZB im Juni die Zinsen senken werde, sofern nichts Überraschendes geschieht.

Die EZB stellt auf der nächsten Sitzung Anfang Juni ihre aktualisierten makroökonomischen Prognosen vor. Sollten diese und andere bis dahin veröffentlichte Daten die Zuversicht der EZB stärken, dass die Inflation langfristig auf das Ziel von 2 % zurückfällt, würden die Währungshüter laut Aussagen von Christine Lagarde die Zinsen senken. Diese deutliche Äußerung und Festlegung ist aber durchaus riskant, da die Inflation in der Eurozone zuletzt wieder stärker gestiegen ist, was vor allem an den kräftig steigenden Löhnen liegt. Das 2 %-Ziel sieht die EZB gemäß ihren aktuellen Projektionen im nächsten Jahr erreicht. Mit der wahrscheinlichen Zinssenkung im Juni dürfte die EZB auch auf die schwache Wirtschaft in der Eurozone reagieren bzw. dieser unter die Arme greifen. Zuletzt gab es immerhin Anzeichen, dass sich die Wirtschaft stabilisiert hat. Ein Abrutschen in die Rezession scheint vermieden worden zu sein. Christine Lagarde betonte zugleich, dass sich die EZB nicht an der US-Notenbank Fed orientiere, die nach den jüngsten Inflationsdaten in den USA mit Zinssenkungen wohl noch etwas warten dürfte (siehe unten). Die EZB dürfte diesmal also vor der Fed die Zinsen senken und ihr nicht wieder – wie so oft in der Vergangenheit – hinterherlaufen.

Zinssenkungserwartungen wurden ausgepreist (EZB-Einlagesatz) - Grafik 1 — Zu Grafik 1: Die Angaben basieren auf Vergangenheitswerten. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu. Bei der Prognose handelt es sich um keinen verlässlichen Indikator für die zukünftige Entwicklung. Quelle: Factset Stand: 16.04.2024

Die Marktteilnehmer:innen haben die von Christine Lagarde praktisch angekündigte Zinssenkung im Juni fast vollständig eingepreist. Sie erwarten darüber hinaus jeweils eine weitere Zinssenkung im dritten und vierten Quartal. Damit würde die EZB die Zinsen bis zum Jahresende also um insgesamt 75 Basispunkte reduzieren. Der Einlagesatz würde dann bei 3,25 % liegen. Zu Jahresbeginn wurden noch doppelt so viele Zinssenkungen erwartet (Grafik 1). Das Auspreisen der Erwartungen ist in erster Linie auf die zähe Inflation zurückzuführen, die doch nicht so schnell nachgibt wie erhofft.

Ob aus der wahrscheinlichen Zinssenkung im Juni ein Zinssenkungszyklus wird und wie stark dieser ausfällt, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Viele Marktteilnehmer:innen erwarten, dass die EZB auch 2025 die Zinsen weiter reduzieren wird. Dies wird in erster Linie von der Inflations- und zu einem kleineren Teil auch von der Konjunkturentwicklung abhängen. Sofern die EZB mit Zinssenkungen beginnt, die Fed aber noch abwartet, weitet sich der Zinsnachteil der Eurozone gegenüber den USA zunächst aus. Dies dürfte den Euro belasten, wie man schon jetzt in der Kursentwicklung von EUR/USD erkennen kann.

Die Fed wird dagegen wohl noch abwarten

Die US-Notenbank Fed hat deutlich kommuniziert, dass sie den Höhepunkt im Zinszyklus erreicht hat. Seit Juli letzten Jahres liegen die Zinsen in den USA nunmehr bei 5,5 %. Die Fed schätzt die Geldpolitik als restriktiv ein und hält es daher „an einem bestimmten Punkt“ in diesem Jahr für angebracht, die Zinsen zu senken. Allerdings will sie vermeiden, dass sie die Zinsen zu früh senkt und später wieder umschwenken muss, sollte die Inflation doch nicht weiter fallen. Die jüngsten Inflationsdaten geben der Fed daher zu denken. Denn die Verbraucherpreise sind im März bereits den dritten Monat in Folge stärker gestiegen als erwartet, was vor allem auf die höheren Lohnkosten zurückzuführen ist. Der Inflationsdruck in den USA nimmt wieder zu. Zugleich wächst die US-Wirtschaft noch kräftig, was die Fed im März dazu veranlasste, ihre Konjunkturprognosen deutlich anzuheben.

Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hatte als Voraussetzung für eine Zinssenkung genannt, dass sich die Inflation nachhaltig in Richtung des 2 %-Ziels der Fed bewegen muss. Nach den jüngsten Inflationszahlen dürfte die Fed diesbezüglich nicht mehr so zuversichtlich sein. Die noch im März abgegebenen Projektionen, wonach die Fed-Offiziellen bis Ende des Jahres drei Zinssenkungen von jeweils 25 Basispunkten erwarten, dürfte angesichts der Daten überholt sein. Die von den Marktteilnehmer:innen bislang für die Juni-Sitzung erwartete erste Zinssenkung ist in weite Ferne gerückt. Ein Zinsschritt ist nun erst für die Sitzung im November vollständig eingepreist. Für die Zeit danach sind sich die Marktteilnehmer:innen uneins, wie es weitergeht. Einige gehen davon aus, dass die Fed erst einmal abwarten wird, wie die Zinssenkung wirkt, und erwarten nach November vorerst keinen weiteren Zinsschritt mehr. Andere sehen hingegen eine weitere Reduzierung der Zinsen – ähnlich zur EZB. Demnach dürfte die Fed zu einem späteren Zeitpunkt mit umfangreicheren Zinssenkungen beginnen, sollte die US-Wirtschaft deutlich an Schwung verlieren. Wie für die EZB hatten die Marktteilnehmer:innen zu Jahresbeginn auch für die Fed Zinssenkungen von insgesamt 150 Basispunkten in diesem Jahr erwartet. Der Großteil davon ist mittlerweile ausgepreist (Grafik 2).

Kaum noch Zinssenkungen erwartet (Fed-Leitzins) - Grafik 2 — Zu Grafik 2: Die Angaben basieren auf Vergangenheitswerten. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung zu. Bei der Prognose handelt es sich um keinen verlässlichen Indikator für die zukünftige Entwicklung. Quelle: Factset Stand: 16.04.2024

Für die Fed waren in der Vergangenheit die „harten“ Daten wichtiger als für die EZB. Da sich die Inflation in den USA hartnäckig zeigt und die Wirtschaft weiterhin stark ist, kann sich die Fed mit Zinssenkungen Zeit lassen. Da in den USA keine Rezession zu erwarten ist, besteht auch keine Notwendigkeit zu deutlichen Zinssenkungen. Vielmehr wird die Fed mit Vorsicht agieren, damit die Inflation nicht wieder bzw. nicht noch stärker aufflammt. Ähnlich wie bei der EZB ist aus heutiger Sicht nicht klar, ob es zu einem klassischen Zinssenkungszyklus kommt.

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Marketingmitteilung
Stand 16.04.2024

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