Die EZB ist im Zinssenkungsmodus
Die Europäische Zentralbank (EZB) scheint Gefallen an niedrigeren Zinsen gefunden zu haben. Nachdem sie im Juni erstmals seit über acht Jahren die Zinsen gesenkt hatte, hat sie mittlerweile einen Zinssenkungszyklus in Gang gesetzt. Denn auch auf den Sitzungen im September und Oktober wurden die Zinsen reduziert. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt jetzt bei 3,40 %, der Einlagesatz bei 3,25 %. Die ursprünglich 50 Basispunkte-Differenz zwischen dem Hauptrefinanzierungs- und dem Einlagesatz ist auf 15 Basispunkte geschrumpft, was von der EZB aber schon im Frühjahr angekündigt wurde. Auffallend ist, dass die EZB heuer die Zinsen bislang stärker gesenkt hat als die US-Notenbank Fed. In der Vergangenheit hat die EZB oftmals auf Zinsentscheidungen der Fed reagiert und diese mit mehr oder weniger großer Verzögerung nachvollzogen. Aus Sicht der EZB gibt es zwei gute Gründe für die Zinssenkungen: die rückläufige Inflation und der drohende Wirtschaftsabschwung in der Eurozone.
Die Teuerungsrate ist in der Eurozone im September erstmals seit Mitte 2021 wieder unter das EZB-Ziel von 2 % gefallen. Mit 1,7 % lag sie auf dem niedrigsten Niveau seit fast dreieinhalb Jahren. Dies kann zwar als Meilenstein angesehen werden, ist aber noch kein Grund zur Entwarnung. Denn die Kerninflationsrate (ohne die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel) lag im September noch bei 2,7 % und damit weiterhin deutlich über dem EZB-Ziel. Ein wesentlicher Inflationstreiber ist nach wie vor das starke Lohnwachstum in der Eurozone, das im zweiten Quartal noch immer 3,5 % betrug. Viele Marktbeobachter:innen gehen davon aus, dass sich die Inflation über dem 2 %-Ziel der EZB einpendeln wird. Und auch aus der EZB selbst ist zu hören, dass die Inflation noch nicht besiegt ist. Bis zum Jahresende dürfte die Teuerungsrate auch wieder merklich steigen, was auf Basiseffekte zurückzuführen ist. Denn sowohl bei nicht-energetischen Industriegütern als auch bei Energie fällt der Rückgang der Preise in den letzten Monaten des Jahres 2023 aus dem Vorjahresvergleich heraus. Der aktuell relativ niedrige Ölpreis kann diesen Effekt nur abmildern. Zudem steigen die Frachtraten bzw. die Transportkosten allgemein. Der Anstieg der Arbeitskosten lässt darüber hinaus die Preise für arbeitsintensive Dienstleistungen steigen. Erst im kommenden Jahr dürfte die Inflation wieder an Dynamik verlieren.
Der Konjunkturmotor ist in der Eurozone in den letzten Monaten ins Stottern geraten. Die Stimmung in den Unternehmenssektoren hat sich merklich eingetrübt. Unter den Marktteilnehmer:innen sind daher Sorgen aufgekommen, dass die Wirtschaft in eine Rezession abrutschen könnte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zwar auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Zinssitzung im Oktober eine Rezession in der Eurozone für unwahrscheinlich gehalten, aber offenbar macht man sich im EZB-Rat darüber doch Gedanken. Der Rat ist zudem von Zinssenkungsbefürworter:innen dominiert.
Wie schnell die EZB die Zinsen weiter senken wird, bleibt offen. Offiziell hat sie sich laut Aussagen von Lagarde nicht auf einen bestimmten Zinspfad festgelegt und will datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Allerdings geben die niedrige Inflationsrate und der Rückgang der Konjunkturindikatoren der EZB Spielraum, die Zinsen weiter zu senken. Die Marktteilnehmer:innen haben eine Zinssenkung auf der Sitzung im Dezember voll eingepreist. Folgt die EZB den Markterwartungen, hätte sie heuer die Zinsen um 100 Basispunkte gesenkt. Geht es nach den Marktteilnehmer:innen, setzt die EZB ihren Zinssenkungszyklus im nächsten Jahr fort. Bis Mitte 2025 werden mindestens vier weitere Zinsschritte erwartet.
Großer Zinsschritt der Fed
Die US-Notenbank Fed hat auf ihrer letzten Sitzung im September die Marktteilnehmer:innen zumindest teilweise überrascht und die Zinsen in einem Schritt um 50 Basispunkte gesenkt. Sie hat damit nach 14 Monaten den Zinsgipfel verlassen. Die Obergrenze der Fed-Leitzinsen liegt jetzt bei 5,00 %. Zuletzt hatte die Fed die Zinsen zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 reduziert. Ähnlich wie die EZB dürfte auch die Fed mit dem Zinsschritt einen Zinssenkungszyklus eingeleitet haben. Die Zinssenkung um 50 Basispunkte gleich zu Beginn kam allerdings doch etwas überraschend, da sich die US-Wirtschaft noch in einer guten Verfassung befindet und die letzten Inflationszahlen auch etwas höher ausgefallen waren als erwartet. Deutlichere Bremsspuren waren jedoch am Arbeitsmarkt zu beobachten, der letztendlich wohl den Ausschlag für den großen Zinsschritt gegeben hat. Es hatte zudem den Anschein, dass die Fed die verpasste Chance, die Zinsen schon früher zu senken, im September korrigiert hat.
Auch wenn sie noch keine endgültige Entwarnung gibt, hält die Fed den Kampf gegen die hohe Inflation im Wesentlichen für gewonnen. Die Teuerungsrate lag im September allerdings noch bei 2,4 %. In der Beurteilung der Inflationsentwicklung bevorzugt die Fed jedoch den Deflator der privaten Konsumausgaben – und dieser lag im August mit 2,2 % nur noch leicht über dem Notenbankziel von 2 %. Die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) zeigt sich dagegen zäher und ist noch weiter vom Fed-Ziel entfernt. Darin spiegeln sich vor allem die Dienstleistungspreise wider, die noch deutlich stärker steigen als früher üblich. Und diese werden wiederum von der Lohnentwicklung getrieben. Es dürfte daher auch in den USA noch eine Zeit lang dauern, bis sich auch die Kernrate dem Ziel der Fed nachhaltig nähert.
Nichtsdestotrotz hatte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell bereits gesagt, dass sich die Währungshüter verstärkt auf den zweiten Teil ihres Mandats, nämlich den Arbeitsmarkt bzw. die Sicherung der Vollbeschäftigung, konzentrieren wollen. Nach zwischenzeitlich schwachen Berichten scheint sich der Arbeitsmarkt in den USA wieder gefangen zu haben. Somit besteht für die Fed keine Notwendigkeit mehr, die Zinsen in großen Schritten zu senken. Zumal sich auch die Konjunktur noch robust zeigt. Die Fed dürfte daher auf den kommenden Sitzungen zu kleinen Zinsschritten à 25 Basispunkte übergehen.
Die Marktteilnehmer:innen haben ihre zwischenzeitlich recht aggressiven Zinssenkungserwartungen mittlerweile angepasst und gehen heuer noch von zwei Zinssenkungen auf dann 4,50 % aus. Mitte 2025 erwarten sie aktuell einen Zinssatz von 3,75 %, was drei Zinsschritten im ersten Halbjahr entspricht. Demnach würde die Fed die Zinsen also weniger stark senken als die EZB.
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Marketingmitteilung
Stand 21.10.2024