Die EZB legt weiter vor...
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im letzten Jahr die Zinsen um 100 Basispunkte gesenkt. Heuer hat sie die Zinsen auf ihren drei bisherigen Sitzungen (Jänner, März und April) um jeweils 25 Basispunkte weiter reduziert. Der Einlagesatz liegt aktuell bei 2,25 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 2,40 %. Die EZB hat damit die Zinsen sechsmal in Folge und seit Juni 2024 siebenmal insgesamt gesenkt. Im Vergleich zur US-Notenbank Fed hat sie früher mit Zinssenkungen begonnen und die Zinsen stärker zurückgenommen.
Die umfangreichen Zinssenkungen der EZB sind zum einen auf die Inflation zurückzuführen, die in der Eurozone weiter an Dynamik verloren hat. Im März lag die Gesamtrate noch bei 2,2 % und die sogenannte Kernrate (ohne die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel) bei 2,4 %. Die Inflation hat sich damit dem 2 %-Ziel der EZB angenähert. Die EZB ist optimistisch, dass die Inflation im Jahresverlauf weiter auf ihr Ziel zurückfällt. Dies würde der EZB Spielraum für weitere Zinssenkungen geben. Ob sie dort dann auch bleibt, ist allerdings fraglich. Denn die US-Zölle und mögliche Gegenzölle könnten zu steigenden Preisen in der Eurozone führen, sofern die Unternehmen die höheren Kosten an die Abnehmer:innen weitergeben. Es gibt aber auch Marktbeobachter:innen, die deflationäre Tendenzen erwarten – nämlich dann, wenn Länder wie China die Produkte, die sie aufgrund der hohen Zölle nicht mehr in die USA verkaufen können, zu Dumpingpreisen in den europäischen Markt drücken. Mit den Zinssenkungen möchte die EZB zum anderen wohl auch der lahmenden Wirtschaft in der Eurozone unter die Arme greifen. Sie dürfte im ersten Quartal 2025 nur marginal gewachsen sein. Die Konjunkturaussichten haben sich zuletzt immerhin verbessert, was an den umfangreichen Investitionsplänen verschiedener Länder und der Eurozone insgesamt liegt. Die Fiskalpakete und die geplanten höheren Rüstungsausgaben können dabei den negativen Effekt der US-Zölle wahrscheinlich etwas abmildern, wobei die Investitionspläne erst mit Verzögerung und wohl nicht vor 2026 wirken werden. Heuer haben die Konjunkturdaten in der Eurozone bislang eher positiv überrascht. Die Stimmung in den Unternehmenssektoren hat sich etwas aufgehellt. Die sinkenden Zinsen scheinen also positiv zu wirken – vor allem im verarbeitenden Gewerbe.
In ihrer zukünftigen Geldpolitik sieht sich die EZB – und noch viel stärker die US-Fed – der willkürlichen Zollpolitik von US-Präsident Trump ausgesetzt. Die EZB wird daher die möglichen Auswirkungen genau abwägen und daraus ihre Schlüsse ziehen. Bislang sprechen noch viele EZB-Mitglieder von weiteren Zinssenkungen im Jahresverlauf, wohl auch, um die Folgen der US-Zölle für die Wirtschaft in der Eurozone abzumildern. Allerdings wurde in den letzten Wochen im EZB-Rat, der von Zinssenkungsbefürworter:innen dominiert wird, offenbar auch darüber diskutiert, wie schnell die Geldpolitik noch gelockert werden soll. EZB-Präsidentin Lagarde betonte, dass die EZB datenabhängig ihre Entscheidungen treffen würde. Die Marktteilnehmer:innen gehen von weiteren Zinssenkungen aus. Sie erwarten von der EZB bis zum Jahresende noch zwei Zinssenkungen à 25 Basispunkte. Die Erwartungen schwankten vor dem Hintergrund der US-Zollpolitik zuletzt aber stärker als sonst. Das heißt, sie können auch schnell überholt sein.
… und die US-Fed könnte bald nachziehen
Die US-Notenbank Fed hat im Herbst letzten Jahres mit Zinssenkungen begonnen. Bis zum Jahresende hat sie die Zinsen um 100 Basispunkte reduziert. Heuer hat sie den Zinssenkungszyklus bislang aber nicht fortgesetzt und die Zinsen auf den beiden bisherigen Sitzungen unverändert beibehalten. Das heißt, die Obergrenze der Fed-Leitzinsen liegt weiter bei 4,5 %.
Auf den ersten Blick hätte die Fed eigentlich Spielraum, die Zinsen weiter zu senken. Denn die Inflation hat sich zuletzt verlangsamt. Die Gesamtrate betrug im März noch 2,4 % und die Kernrate 2,8 %. Die Inflation liegt damit zwar noch über dem Fed-Ziel von 2 %, aber eben nicht mehr so weit. Daneben wurden in den USA heuer viele Konjunkturdaten veröffentlicht, die unter den Erwartungen der Marktteilnehmer:innen lagen. Das heißt, das Bild eines robusten Wirtschaftswachstums in den USA hat Risse bekommen. Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere die Stimmungsindikatoren enttäuscht haben, während sich die sogenannten harten Daten wie Industrieproduktion, Einzelhandelsumsätze oder Wohnungsbaubeginne bzw. -genehmigungen noch recht gut gehalten haben. Und auch der Arbeitsmarkt zeigt sich bislang noch stabil. Die Fed könnte also mittels Zinssenkungen der US-Wirtschaft unter die Arme greifen, sofern sie dies für notwendig hält. US-Präsident Trump hat übrigens mehrfach Zinssenkungen von der Fed gefordert. Zentralbanken sollten aber unabhängig von der Politik agieren können.
Fügt man den bisherigen Überlegungen jetzt allerdings die erratische Zollpolitik der US-Regierung hinzu, ergibt sich ein anderes Bild. Denn viele Marktbeobachter:innen erwarten, dass die Preise in den USA (deutlich) steigen werden, da die Unternehmen entweder die höheren Kosten an die Kund:innen weitergeben oder die Güter nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Zudem will die US-Regierung bekannterweise illegal Eingewanderte abschieben, was zu einem Arbeitskräftemangel führen könnte. Eine Umfrage der University of Michigan unter Verbraucher:innen hat ergeben, dass diese die Inflation in einem Jahr sogar bei 6,7 % und in 5-10 Jahren bei 4,4 % sehen. Sollten sich die Preise in diese Richtung entwickeln, dürften sich die Konsument:innen mit Käufen zurückhalten, was die US-Wirtschaft belasten würde, da sie das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Einige Marktbeobachter:innen sehen daher die Gefahr einer Stagflation in den USA. Der Fed-Vorsitzende Powell hatte unlängst davor gewarnt, dass die Zölle unter anderem zu einer nachhaltig höheren Inflation führen könnten. Auch sah er durch die Handelsspannungen die Ziele der Fed in Gefahr. Vor diesem Hintergrund hätte die Fed weit weniger Spielraum, die Zinsen zu senken.
Im Zuge des Zickzacks der US-Zollpolitik haben die Marktteilnehmer:innen ihre Zinssenkungserwartungen in den letzten Wochen gleich mehrfach verändert. Waren sie anfangs noch verhalten, hatten sie zwischenzeitlich 4-5 Zinssenkungen bis zum Jahresende eingepreist. Aktuell erwarten sie von der Fed noch drei Zinsschritte à 25 Basispunkte. Dies ist aber nur eine Momentaufnahme.
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Marketingmitteilung
Stand 17.04.2025
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