Die Wirtschaft in der Eurozone und den USA befindet sich weiter auf unterschiedlichen Pfaden. Allerdings haben sich in den letzten Wochen die Tendenzen etwas verändert: Während die Wirtschaft in der Eurozone wieder wächst, gibt es in den USA Bremsspuren. Wir schauen im aktuellen Kapitalmarkt-Navigator auf die konjunkturelle Lage in der Eurozone und den USA und wagen einen Blick nach vorne.

Eurozone zurück auf Wachstumspfad

Die Wirtschaft in der Eurozone ist im ersten Quartal 2024 saisonbereinigt um 0,3 % gewachsen. Damit hat sie zurück auf den Wachstumspfad gefunden, nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt in den vorangegangenen zwei Quartalen jeweils um 0,1 % geschrumpft war. Zur positiven Entwicklung haben vor allem ein höherer privater Konsum, getragen von steigenden Realeinkommen, und eine anziehende Investitionstätigkeit der Unternehmen beigetragen. Der private Konsum hat weiteres Potenzial, auch wenn sich der Lohnauftrieb zuletzt etwas abgeschwächt hat.

BIP-Wachstum in der Eurozone hat Talsohle durchschritten — BIP-Wachstumsrate gegenüber Vorquartal | Quelle: FactSet; Stand 30. April 2024

Bereits vorliegende Daten für April signalisieren ein fortgesetztes Wachstum der Wirtschaft im zweiten Quartal. So ist der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor überraschend stark auf 52,9 gestiegen und lag den dritten Monat in Folge in einem Bereich, in dem die Konjunktur in der Vergangenheit gewöhnlich zugelegt hat. Er gilt zudem als das verlässlichste Konjunkturbarometer für die Eurozone. Die Industrie schwächelt dagegen weiter. Die höheren Zinsen dürften noch immer nicht ganz verdaut sein. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe lag im April weiter deutlich unter der Marke von 50, die als Schwelle zur Expansion gilt. Für eine positive Konjunkturentwicklung spricht der ifo-Geschäftsklimaindex in Deutschland, der größten Volkswirtschaft in der Eurozone. Dieser ist jüngst dreimal in Folge gestiegen, was als Trendwende gilt. Damit haben sich die Aussichten auch in Deutschland wieder verbessert, nachdem unser Nachbarland in den letzten Quartalen eher als Sorgenkind galt.

Die zuletzt positiveren Daten spiegeln sich auch in den Konjunkturprognosen für das Gesamtjahr 2024 wider. Mitte April hat zum Beispiel der Internationale Währungsfonds IWF im Rahmen seiner Jahrestagung seine Prognosen aktualisiert. Er erwartet für die Eurozone heuer ein BIP-Wachstum von 0,8 %. Dieses liegt zwar deutlich unter den Wachstumsraten vergangener Jahre (mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020), ist aber doppelt so hoch wie im Vorjahr. Zwischen den einzelnen Ländern gibt es dabei große Unterschiede: Während für Spanien ein Wachstum von fast 2 % erwartet wird und Frankreich und Italien um 0,7 % wachsen sollen, bleibt Deutschland trotz verbesserter Aussichten mit +0,2 % Schlusslicht unter den Kernländern der Eurozone. Österreich (+0,4 %) überholt laut IWF-Schätzung Deutschland in diesem Jahr. Für 2025 geht der IWF für die Eurozone von einem BIP-Wachstum von 1,5 % aus. Die Wirtschaft erholt sich also weiter, allerdings auf einem niedrigen Niveau.

Zinsen bleiben hoch wegen hartnäckiger Inflation

Einen bremsenden Effekt auf die Wirtschaft könnte aber die Inflation haben. Diese ging nicht weiter zurück, sondern stagnierte in der Eurozone im April bei 2,4 %. Der zuvor dämpfende Effekt der Energiepreise ist aus der Beobachtung herausgefallen und die Nahrungsmittelpreise sind wieder etwas stärker gestiegen. Daneben machen sich die kräftigen Lohnsteigerungen vor allem im Dienstleistungssektor bemerkbar, wo der Preisauftrieb weiter hoch ist. Die Tariflöhne dürften gemäß Schätzungen der Europäischen Zentralbank EZB im Durchschnitt dieses Jahres insgesamt um 4,5 % steigen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und weitere Direktoriumsmitglieder haben zwar für die nächste Sitzung am 6. Juni faktisch eine Zinssenkung angekündigt, sofern nichts Unvorhergesehenes geschieht. Ob auf die Zinssenkung aber ein Senkungszyklus folgt, wie ihn viele Marktteilnehmer:innen noch zu Jahresbeginn erwartet hatten, ist fraglich. Denn die Inflation ist hartnäckig und dürfte sich oberhalb des 2 %-Ziels der EZB einpendeln. Viele Marktbeobachter:innen gehen mittlerweile davon aus, dass die EZB die Zinsen heuer nur zwei- oder dreimal senken wird (der Markt unterstellt dabei Zinsschritte von jeweils 25 Basispunkten). Die Leitzinsen wären damit Ende des Jahres immer noch auf einem erhöhten Niveau, was der Wirtschaft zu schaffen machen könnte und Kreditnehmer:innen vor weitere Herausforderungen stellen würde.

Bremsspuren in den USA

Die USA sind nach der Corona-Krise schnell wieder auf den zuvor etablierten Wachstumstrend zurückgekehrt. Dazu haben die wirtschaftsfreundliche Geld- und Fiskalpolitik beigetragen. Zudem waren die USA weniger stark vom Energiepreisschock nach dem russischen Angriff auf die Ukraine betroffen als die Eurozone, da sie weit weniger von Energieimporten abhängen. Nach dem starken zweiten Halbjahr 2023 schien die US-Wirtschaft auch schwungvoll in dieses Jahr gestartet zu sein. Darauf deuteten zumindest viele Konjunkturdaten in den ersten Monaten des Jahres hin. Sie präsentierte sich trotz der mittlerweile straffen Geldpolitik in guter Verfassung. Doch mit Veröffentlichung der BIP-Zahlen für das erste Quartal kehrte Ernüchterung ein. Denn die US-Wirtschaft ist „nur“ um 1,6 % gewachsen und damit weniger als zuvor und von allen Marktbeobachter:innen erwartet. Der Teufel liegt aber im Detail und die Zahl ist nicht so schlecht, wie sie auf den ersten Blick scheint. So wurde ein Großteil der robusten inländischen Endnachfrage durch Produkte aus dem Lager und dem Ausland bedient. Der private Konsum, unterstützt durch steigende Reallöhne, war, wie auch in der Eurozone, einer der Wachstumstreiber. Auch die Unternehmensinvestitionen sind gestiegen – ebenfalls eine Parallele zur Eurozone. Insgesamt betrachtet hat die US-Wirtschaft zwar an Schwung verloren. Angesichts der Belastungen durch die restriktive Geldpolitik der US-Notenbank Fed ist es aber beachtlich, dass das Tempo immer noch nahezu dem Trendwachstum entspricht, das die Fed auf 1,8 % taxiert.

BIP-Wachstum in den USA hat an Dynamik verloren — BIP-Wachstumsrate gegenüber Vorquartal, annualisiert | Quelle: FactSet; Stand 25. April 2024

Nach den BIP-Zahlen wurden in den USA jedoch weitere Konjunkturdaten veröffentlicht, die auf eine weiter abnehmende Wachstumsdynamik im zweiten Quartal hindeuten. So ist im April sowohl der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe als auch der für Dienstleistungen unter die Expansionsschwelle von 50 gerutscht. Das heißt, die Stimmung in den US-Unternehmen hat sich eingetrübt. Daneben hat der US-Arbeitsmarkt im letzten Monat enttäuscht: Das Beschäftigungswachstum hat sich abgeschwächt und die Arbeitslosenquote ist leicht gestiegen. Das Konsumentenvertrauen ist ebenfalls gesunken und die Einzelhandelsumsätze stagnierten. Auf einen Einbruch der Wirtschaft weisen aber weder die Arbeitsmarktdaten noch die anderen Konjunkturindikatoren hin.

Dies sieht auch der IWF so, der Mitte April seine Prognose für das US-BIP-Wachstum für dieses Jahr deutlich auf 2,7 % nach oben revidiert hat. Damit soll die US-Wirtschaft heuer sogar etwas stärker wachsen als im letzten Jahr. Für 2025 unterstellt der IWF eine Abkühlung auf 1,9 %, was in etwa dem oben erwähnten Trendwachstum entspricht und weit von einer Rezession entfernt ist. Das Wachstum in den USA und der Eurozone würde sich im nächsten Jahr also tendenziell angleichen. Langfristig bleiben die Wachstumsaussichten laut vielen Marktbeobachter:innen in den USA aber vorteilhafter als in der Eurozone. Dies liegt im Wesentlichen an der besseren Produktivitätsentwicklung in den USA.

Fed senkt Zinsen wegen wieder höherer Inflation erst später

Stärker als in der Eurozone hat sich in den USA die Inflation wieder in den Vordergrund gedrängt. Die Teuerungsrate war im April mit 3,4 % nur marginal niedriger als im März. Inflationstreiber waren die Preise im Dienstleistungssektor, was wiederum auf die höheren Löhne zurückgeführt werden kann. Dies hat auch die Fed vorsichtiger werden lassen. Sie hat im Rahmen ihrer letzten Sitzung darauf hingewiesen, dass in den vergangenen Monaten Fortschritte bei der Rückführung der Inflation ausgeblieben sind. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat mehrfach betont, dass eine Abschwächung der Inflation in Richtung des 2 %-Ziels Voraussetzung für eine Zinssenkung ist. Für die Fed selbst scheint sich damit eine mögliche Zinssenkung in die Zukunft verschoben zu haben, zumal die Konjunktur noch recht gut läuft. Die Marktteilnehmer:innen hatten zuvor schon ihre Zinssenkungserwartungen deutlich zurückgenommen. Sie gehen aktuell davon aus, dass die Fed die Zinsen heuer erst im November senken wird. Zu Jahresbeginn hatten die Marktteilnehmer:innen von der Fed noch sechs Zinssenkungen à 25 Basispunkte und den Beginn der Zinswende im April erwartet. Die wahrscheinlich länger hoch bleibenden Zinsen könnten zu einer weiter abnehmenden Wirtschaftsdynamik führen. Im Falle einer zu deutlichen Abschwächung dürfte die Fed dann aber doch reagieren und mit einer lockereren Geldpolitik der Wirtschaft unter die Arme greifen.

Auswirkungen auf die Kapitalmärkte

Sollte die Europäische Zentralbank (EZB), wie faktisch angekündigt, demnächst die Zinsen senken, würde dies wohl auch die Renditen der Anleihen in der Eurozone etwas drücken, und zwar vor allem am kurzen Laufzeitenende. Davon würden wiederum die Anleihekurse profitieren. Wie stark es mit den Renditen nach unten geht, hängt aber im Wesentlichen davon ab, welche Signale die EZB zur zukünftigen Geldpolitik gibt. Die abwartende Haltung der US-Notenbank Fed spricht hingegen dafür, dass die Anleiherenditen in den USA länger hoch bleiben. Sollte die EZB vor der Fed die Zinsen senken, weitet sich der Zinsnachteil der Eurozone gegenüber den USA aus, was den US-Dollar aufwerten lassen könnte. An den Aktienmärkten war die Stimmung bis zuletzt gut, so dass sowohl gute (Eurozone) als auch schwächere Konjunkturdaten (USA) positiv aufgenommen wurden. Im ersten Fall besteht Hoffnung, dass die Wirtschaft wieder wächst und die Unternehmen dadurch mehr Gewinn erwirtschaften. Dem zweiten Fall liegt die Erwartung zugrunde, dass die Zinsen doch früher gesenkt werden könnten, was die Wirtschaft ankurbeln würde. Wie die letzten Wochen gezeigt haben, können die Marktteilnehmer:innen ihre Einstellung allerdings auch schnell ändern.

Fazit

Während sich die Wirtschaft in der Eurozone zurück auf einen Wachstumspfad gekämpft hat, wies die US-Konjunktur zuletzt Bremsspuren auf. Die konjunkturelle Entwicklung bleibt neben der Zinsentwicklung der wichtigste Einflussfaktor für die Kapitalmärkte. Dabei müssen schwächere Konjunkturdaten nicht unbedingt schlecht für die Märkte sein.

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Marketingmitteilung
Stand 21.05.2024

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