Die EZB ist noch nicht fertig
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni letzten Jahres mit Zinssenkungen begonnen hat, hat sie die Zinsen bis zum Jahresende 2024 um insgesamt 100 Basispunkte reduziert. Der Einlagesatz liegt aktuell bei 3,00 %, der Hauptrefinanzierungssatz bei 3,15 %. Zur Erinnerung: Die Differenz zwischen dem Hauptrefinanzierungs- und dem Einlagesatz wurde im Herbst auf 15 Basispunkte verringert. Die EZB hat damit die Zinsen im letzten Jahr im gleichen Ausmaß wie die US-Notenbank Fed gesenkt. Sie hat allerdings früher als die Fed mit Zinssenkungen begonnen und die Zinsen graduell um jeweils 25 Basispunkte reduziert.
Geht es nach den Marktteilnehmer:innen und der EZB selbst, stehen heuer weitere Zinssenkungen an. Führende EZB-Ratsmitglieder haben sich in den letzten Wochen dafür ausgesprochen, die Zinsen bis Mitte des Jahres auf etwa 2 % zu senken. Dies wäre demnach ein Niveau, auf dem die Zinsen die Wirtschaft in der Eurozone nicht mehr bremsen würden. Zudem sollte die Inflation dann auf dem Zielniveau der EZB von 2 % angekommen sein und der Lohndruck nachgelassen haben. Die Marktteilnehmer:innen hatten bis vor wenigen Wochen sogar mit noch stärkeren Zinssenkungen der EZB gerechnet, unter anderem da das Wirtschaftswachstum in der Eurozone sehr verhalten ist und ein Abrutschen in die Rezession nicht ausgeschlossen werden kann. Mittlerweile haben sie ihre Erwartungen aber etwas zurückgeschraubt: Bis Mitte des Jahres gehen sie von Zinssenkungen von 75 Basispunkten aus. Danach ist bis zum Jahresende noch ein weiterer Zinsschritt fast vollständig eingepreist.
Dass die Marktteilnehmer:innen ihre Zinssenkungserwartungen zurückgenommen haben, liegt wahrscheinlich in erster Linie an der Inflation, die im November und Dezember wieder merklich gestiegen ist, was aber zum Teil an Basiseffekten lag. Aktuell beträgt die Gesamtrate 2,4 % und die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) 2,7 %. In manchen Ländern der Eurozone ist die Inflation sogar bereits wieder deutlich höher als im Mittel. Im Jänner ist ein weiterer Anstieg der Teuerungsrate zu erwarten. Wie aus kürzlich veröffentlichten Umfragen hervorgeht, haben die Marktteilnehmer:innen sowohl ihre kurz- als auch langfristigen Inflationserwartungen etwas angehoben. Die EZB verbreitet aber nach wie vor Optimismus, dass die Inflation in den kommenden Monaten auf die Zielrate von 2 % fällt. Viele Marktbeobachter:innen gehen hingegen davon aus, dass sich die Inflation über dem EZB-Ziel einpendeln wird, was den Spielraum für weitere Zinssenkungen eigentlich begrenzt.
Allerdings lahmt die Wirtschaft in der Eurozone und die Stimmung in den Unternehmenssektoren hat sich weiter eingetrübt, mittlerweile auch im bislang noch recht stabilen Dienstleistungssektor. Daher könnte die EZB über eine anhaltend erhöhte Inflation hinwegsehen und die Zinsen zur Unterstützung der Konjunktur senken. Ob und wie schnell die EZB weiter vorgeht, wird auch davon abhängen, welche seiner Pläne Donald Trump als neuer US-Präsident umsetzt. Die Marktteilnehmer:innen werden das Statement der EZB und die Pressekonferenz von Christine Lagarde nach der Sitzung Ende Jänner auf entsprechende Hinweise zur zukünftigen EZB-Geldpolitik abklopfen.
Die US-Fed könnte dagegen abwarten
Die US-Notenbank Fed hat im September letzten Jahres mit ihrem Zinssenkungszyklus begonnen. Damals hat sie die Zinsen etwas überraschend um 50 Basispunkte gesenkt. Bis Ende 2024 sind zwei weitere Zinsschritte zu je 25 Basispunkten hinzugekommen, so dass unter dem Strich im letzten Jahr Zinssenkungen von 100 Basispunkten zu Buche standen. Die Obergrenze der Fed-Leitzinsen liegt aktuell bei 4,5 %.
Mittlerweile stellt sich allerdings die Frage, ob der Zinssenkungszyklus der Fed nicht schon wieder beendet ist. Denn wie verschiedene Konjunkturdaten wie zum Beispiel die letzten Arbeitsmarktberichte gezeigt haben, läuft die US-Wirtschaft noch auf Hochtouren und es gibt bislang keine klaren Anzeichen für eine Abschwächung des Wachstums. Zudem ist auch in den USA die Inflation zuletzt wieder gestiegen. Im Dezember betrug die Gesamtrate 2,9 % und die Kernrate sogar 3,2 %. Das heißt, die Inflation in den USA liegt deutlicher als in der Eurozone über dem 2 %-Ziel der Fed. Zudem sind auch in den USA die kurz- und langfristigen Inflationserwartungen zuletzt merklich gestiegen. Die Fed bevorzugt in der Beurteilung der Inflationsentwicklung jedoch den Deflator der Konsumausgaben, der näher an ihrem Ziel liegt. Aus Gründen der robusten Wirtschaft und der höheren Inflation besteht aber für die Fed keine Notwendigkeit, die Zinsen weiter zu senken. Es drängt sich sogar die Frage auf, warum die Fed im Dezember die Zinsen vor diesem Hintergrund überhaupt noch einmal reduziert hat.
Während die Fed-Mitglieder gemäß dem sogenannten Dot Plot, der im Rahmen der Dezember-Sitzung veröffentlicht wurde, heuer von zwei Zinssenkungen um insgesamt 50 Basispunkte ausgehen, haben die Marktteilnehmer:innen ihre diesbezüglichen Erwartungen in den letzten Wochen deutlich zurückgeschraubt. Aktuell ist nur noch eine weitere Zinssenkung voll eingepreist, und zwar für den Sommer. Manche Marktbeobachter:innen erwarten dieses Jahr gar keine Zinssenkungen mehr und argumentieren sogar für höhere Zinsen im zweiten Halbjahr.
Die Fed dürfte es heuer nicht leicht haben, denn mit Donald Trump zieht ein Präsident ins Weiße Haus ein, der sich im Wahlkampf für niedrigere Zinsen ausgesprochen hat und Jerome Powell an der Spitze der Fed möglichst schnell ersetzen will. Die Fed könnte sich also politischem Druck ausgesetzt sehen. Sie dürfte zunächst abwarten, wie sich Trumps Pläne auswirken. Spannend wird sein, wie die Fed reagiert, wenn Trumps geplante Zoll- und Abschiebemaßnahmen zur erwartet höheren Inflation führen. Dann wird sich zeigen, wie unabhängig die Fed noch agieren kann und ob der Markt ihr noch glaubt.
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Marketingmitteilung
Stand 16.01.2025