In unseren Unternehmensinterviews stellen wir Ihnen Unternehmerpersönlichkeiten mit spannenden Lebenswegen und inspirierenden Geschichten vor. Für diese Ausgabe sprachen wir mit dem Visionär und Vordenker Amir Roughani, der sich die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Future Mobility und Future Energy zum Unternehmensziel gesetzt hat.

 

Als 27-Jähriger gründete Amir Roughani in Garching bei München das Technologieunternehmen VISPIRON, das rasant gewachsen ist und mittlerweile über 500 Mitarbeiter aus 28 Nationen zählt. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit klimaneutraler Energie und Mobilität und möchte mit seinen Produkten und Lösungen den Klimawandel aufhalten. Für seine Unternehmertätigkeit erhielt der gebürtige Iraner bereits mehrere Auszeichnungen, unter anderem den Gründerpreis "Aufsteiger des Jahres", "Karriere des Jahres im Mittelstand" sowie "Entrepreneur des Jahres". Im Film "Power to Change – Die Energierebellen" war er einer der Hauptakteure.

Herr Roughani, Sie haben 2002 Ihr eigenes Unternehmen gegründet. Wie kamen Sie auf den Namen "VISPIRON" und wofür steht er? 
Amir Roughani: Es ist ein Kunstname, der die Begriffe Vision und Inspiration vereint. Wir nehmen die globalen Herausforderungen ernst und bieten nachhaltige Produkte und Dienstleistungen an. Die Vorzeichen stehen gut, dass wir mit einer post-fossilen Wirtschaft auch Geld verdienen werden. Denn klimafreundliche Geschäftsmodelle haben Zukunft. Der Wandel wurde bereits eingeläutet und wird Fahrt aufnehmen. 

Nachhaltigkeit und Geld verdienen sind für mich kein Widerspruch. Klimafreundliche Geschäftsmodelle haben Zukunft.

Was war Ihre ursprüngliche Motivation, eine eigene Firma aufzubauen?  
Amir Roughani: Ich beschäftigte mich schon sehr früh mit dem Thema Nachhaltigkeit und studierte vor diesem Hintergrund Umweltmanagement. Ich nahm zu diesem Zeitpunkt in der Gesellschaft und bei meinen Kommilitonen jedoch keinerlei Interesse daran wahr und verlor meine Vision ein Stück weit aus den Augen. Mir war es anfangs wichtig, Innovationen voranzutreiben. Hauptsache wir machten Umsatz im Tech-Bereich. So wuchs meine Firma relativ zügig. 

2016 drehten Sie einen Film zum Thema Energiewende. Was hat Sie dazu gebracht? Gab es einen Schlüsselmoment? 
Amir Roughani: 2011 gab es einen Schlüsselmoment in meinem Leben: Ich machte eine Weltreise und erlebte den Klimawandel hautnah, insbesondere an der Arktis. Wir sahen Gletscher, die geschmolzen sind und sprachen mit den Dorfältesten, die uns erzählten, dass extreme Hitzeperioden stark zunehmen und dadurch die Gletscher schneller schmelzen. Nachdem ich zurückkam, wollte ich mir einen persönlichen Traum erfüllen und an die Börse gehen. An einem Wochenende ganz für mich allein stieß ich beim Durchblättern der Zeitungen immer wieder auf Porträts von erfolgreichen Unternehmern und Vorstandsvorsitzenden, die alle mit ähnlichen Slogans zitiert wurden, zum Beispiel: "Wir wollen unseren Umsatz verdoppeln, wir wollen den Marktanteil durch organisches und anorganisches Wachstum erhöhen". Da machte es bei mir Klick und mir wurde klar, dass ich bis dato alles richtig gemacht, aber nicht das Richtige getan habe, denn das alles hat nicht zur Lösung unserer globalen Probleme beigetragen. Das hatte ich neun Jahre lang vergessen. 

Ich habe bis dato alles richtig gemacht, aber nicht das Richtige getan.

Haben Sie konkrete Antworten auf den Klimawandel?  
Amir Roughani: Ja, definitiv, lassen Sie mich vorher drei Anmerkungen machen:

  1. Klimawandel klingt für mich sehr verharmlosend, tatsächlich befinden wir uns längst in einer Klimakrise.
  2. Das 1,5-°C-Klimaschutzziel erreichen wir nicht dadurch, dass wir unseren Energiebedarf durch den Erhalt und Ausbau nuklearfossiler Kraftwerke abdecken oder die Mobilität mit Verbrennern bzw. nicht ambitionierten Hybridfahrzeugen fortsetzen.
  3. Wir haben ausreichend Erkenntnisse über die Ursachen und Folgen der Klimakrise, wir verfügen über alle technologischen Alternativen und wir haben die finanziellen Ressourcen, um die Krise zu meistern. Wir müssen anstatt vieler Sonntagsreden nur loslegen und uns an die Arbeit machen.

Die EU ist nach diversen Studien in der Lage bis 2050 auf 100% Erneuerbare Energien umzusteigen. Es erfordert eine Massenelektrifizierung in allen Energiesektoren und die Vier- bis Fünffache Stromerzeugung von 2015. Dieses zu 100% erneuerbare Stromsystem würde zu etwa 85% aus dezentraler und regionaler Erzeugung stammen und 3 bis 3,5 Millionen Menschen beschäftigen. Wind- und Solarenergie haben das Potenzial bis 2050 etwa 94% der gesamten Stromversorgung auszumachen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit solch einen Plan der Industrie ausreichend Zeit für den Wandel geben, den Wohlstand in der EU langfristig sichern und deutliche finanzielle Vorteile haben werden.

Hat die Pandemie eine Auswirkung auf die Denke und Einstellung der Menschen in Bezug auf den Klimawandel?  
Amir Roughani: Die Pandemie veranlasst uns viele Fragen des Lebens neu zu stellen und die Koordinaten neu zu justieren. Weiterhin ist der Klimawandel vor allen anderen globalen Themen als die größte Herausforderung unserer Zeit. Die Pandemie ist weder eine Verschnaufpause noch hat sie die Herausforderung für uns gelöst. Für die Wirtschaft ist die Pandemie ein klarer Beschleuniger der postfossilen Wirtschaft. Das World Economic Forum sieht auch in 2021 den Klimawandel und seine Folgen ganz vorn auf der Sorgen-Liste der Weltgemeinschaft.

Wir von der Wirtschaft sollten viel stärker darauf drängen, dass die Aufbaugelder ganz konsequent in Innovationen und Förderung der postfossilen Wirtschaft investiert werden. Allein Deutschland stellt 1,4 Billionen Hilfsgelder zur Verfügung. Damit wären die Transformation der Energie- und Mobilitätswirtschaft sowie die digitale Transformation der Wirtschaft mehrfach finanziert. Wenn auch das Tempo bei Gesetzen, Beschlüssen und der Entbürokratisierung gleichbliebe, wären wir geschätzt im Jahre 2030 bereits bei 100% Erneuerbare Energien und hätten unseren Wohlstand wohl nachhaltig gesichert.

Insofern spricht alles dafür, dass wir unsere Einstellung und Denke auf diese sich bietenden Chancen anpassen.

Welche Lösung halten Sie global für sinnvoll? 
Amir Roughani: Eine ernsthafte globale Lösung setzt auf ein enkeltaugliches Wirtschaftssystem und eine enkeltaugliche Lebensweise. Mein Zeithorizont erstreckt sich über die nächsten 150 Jahre, denn wir tragen Verantwortung für die Generationen unserer Kinder und Enkelkinder.

Ich persönlich bin kein Freund von bloßen CO²-Statisiken, die eine Nation gut dastehen lassen. Denn wenn wir in unserer landesspezifischen CO2-Statistik gut dastehen, aber Kohlekraftwerke, Zehn-Zylinder-Verbrennerfahrzeuge oder andere Maschinen, die auf fossilen Energien basieren, an andere Länder verkaufen, ist das keine Lösung. Die globale Lösung benötigt folgende 3 Strategien:

  1. Verhaltensänderung: Auch wenn es die schwierigste Aufgabe sein wird, müssen wir unser Konsum- und Reiseverhalten stark einschränken. Viel bewusster Einkaufsentscheidungen treffen und auf regionale sowie nachhaltige Angebote umsteigen. Hoffnung macht hier die Pandemie. Sie hat uns gezeigt, wie umfangreich und schnell wir unser Verhalten anpassen können, wenn es erforderlich ist.
  2. Substitutionsstrategie: Die Substitution ist notwendig, um klimaschädliche Produkte zu ersetzen. Darin steckt für unsere Wirtschaft ein über die nächsten Jahrzehnte enthaltenes Potenzial. Die Welt wartet auf diese klimafreundlichen Produkte. Wir können sie mit unserer Kompetenz und Historie entwickeln und liefern.
  3. Darüber hinaus bedarf es einer Effizienzstrategie: Mit der Effizienzstrategie fokussieren wir z.B. die Verbrauchssenkung durch neue Innovationen.

Der Klimawandel ist eine Haltungsfrage. Ich bin kein Freund von CO²-Statistiken.

Sehen Sie darin einen Trend in Richtung Deglobalisierung? 
Amir Roughani: In der Energiebranche wird man zunehmend in der Lage sein, sich in Inseleinheiten autark zu organisieren. Die Anwendung wird dezentralisiert, aber über die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet bleibt es weiterhin ein globales Produkt mit klassischer Arbeitsteilung: Die Solarmodule werden in China produziert, die Maschinen kommen aus Deutschland und Österreich etc. Ich sehe den Bedarf an Deglobalisierung, aber nicht einen Trend. Zumindest keinen langfristigen Trend. 

Welche Vorteile hat es, autark und energieeffizient zu werden? 
Amir Roughani: Wirtschaftlich betrachtet hat ein Land oder ein Unternehmen mehr Wertschöpfung und mehr Überschuss. In Deutschland ist beispielsweise der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch von rund 6% im Jahr 2000 auf rund 46% im Jahr 2020 angestiegen. Dadurch importiert Deutschland rund 18 Mrd. EUR weniger Brennstoffe jedes Jahr. Wenn ein Logistikunternehmen selbst den Strom herstellt und damit seine E-Flotte laden kann, reduziert es seine Kosten. Auf der einen Seite ist es ein Rechenbeispiel und auf der anderen Seite ein wunderbares Gefühl, wenn Sie wissen, dass Sie den Strom selbst hergestellt haben. Wir haben ein Solarkraftwerk in Norden Deutschlands und der Strom wird an uns selbst verkauft. Jedes Mal, wenn ich das Licht anmache, weiß ich, dass der Strom aus unserem eigenen Solarpark kommt.

Und wer finanziert diese Infrastruktur der Zukunft? 
Amir Roughani: Die Infrastruktur-Erneuerung steht in Unternehmen und Ländern immer wieder an der Tagesordnung. Wie oft werden in Deutschland Autobahnen und Brücken restauriert und neu gebaut oder auch Kohle- und Atomkraftwerke saniert? Die Stromtrassen sind beispielsweise im Schnitt rund 50 Jahre alt und müssen in jedem Falle saniert werden. Ich glaube, dass diejenigen, die jetzt mutig und proaktiv investieren, auch die Nutznießer sein werden. Egal ob Unternehmen oder Länder. 

Unternehmertum & Amir Roughani ganz persönlich

Sie sind in ganz jungen Jahren alleine mit dem Flugzeug von Teheran nach Deutschland gekommen. Wie war das für Sie?
Amir Roughani: Während des Krieges durften Kinder ab vierzehn Jahren nicht ausreisen und Jugendliche mit sechzehn Jahren wurden für die Front rekrutiert. Das bereitete vielen Eltern Sorgen und sie fanden Wege, ihre Kinder ins Ausland zu bringen. So wurde auch mein älterer Bruder ins Ausland geschickt. Eigentlich sollte er nach Schweden gehen, ist aber dann in Berlin hängen geblieben – so ähnlich, wie es jetzt bei der Flüchtlingskrise zu beobachten war. Das war noch vor dem Mauerfall. Meine Eltern fragten mich irgendwann, ob ich auch nach Deutschland zu meinem Bruder möchte. Diese Frage löste ein unglaubliches Gefühl an Vertrauen in mir aus, dass meine Eltern mir zutrauten, allein ins Ausland zu gehen. Ich fuhr mit meiner Mama nach Teheran zum Flughafen und flog mit der Iran Air von Teheran nach Frankfurt. Meine Mutter fragte eine ältere Dame beim Check-In, ob sie sich im Flugzeug neben mich setzen und in Frankfurt zum Flieger nach Berlin bringen könnte.

In welcher Weise hat Sie das geprägt? 
Amir Roughani: Meine Mutter flüsterte mir beim Abschied heulend ins Ohr, dass sie die Trennung nur verkraften könne, wenn etwas aus mir wird. Diese Grundhaltung, das Beste aus jeder Situation zu machen, trage ich bis heute aus Liebe zu meiner Mama in mir. Manchmal ist es eine schwere Bürde, aber sie hat mir damit auch eine Leitplanke für mein Leben mitgegeben. 

Sind Sie dadurch resilienter geworden? Macht Sie das auch als Unternehmer aus? 
Amir Roughani: Solche Situationen begegneten mir immer wieder in meinem jungen Leben: Ich stand vor aussichtslosen Situationen und danach ging es wieder weiter. Das hat mich sehr geprägt und resilient gemacht. Denn egal, wie aussichtslos die Situation ist, es gibt immer einen Weg raus und es kommt nicht so schlimm, wie man denkt. Das macht mich auch als Unternehmer und generell einen guten Unternehmer aus – mutig, risiko- und experimentierfreudig und dennoch keine Zockermentalität zu haben. Ich halte es auch für wichtig, dass wir uns nicht anhand eines Status, den wir uns im Leben erarbeitet haben, definieren. Denn dann könnte uns die Sorge plagen, das Aufgebaute zu verlieren und wir würden möglicherweise nicht genügend Risiken eingehen. Machen wir uns das Leben nicht unnötig schwer! 

Egal, wie aussichtslos die Situation ist, es gibt immer einen Weg raus und es kommt nicht so schlimm, wie man denkt.

Gibt es jemanden, der Sie inspiriert? 
Amir Roughani: Ja klar, mich inspirieren viele Menschen, denen ich begegne. Der Regisseur Carl-A. Fechner, der in seinem Leben extrem viel erlebte, inspirierte mich während des Filmdrehs von Power to Change zum Beispiel sehr. Auch der Unternehmerverein YPO (Young President Organization) ist für mich pure Inspiration. Wir zählen über 90 Mitglieder und treffen uns sechs- bis achtmal im Jahr. Es geht vor allem um Persönlichkeitsentwicklung, unsere blinden Flecken zu entdecken und zu beseitigen und um Perspektivenwechsel. Unsere Ansichten zu erweitern ist sehr inspirierend. 

Was ist Ihr größter Luxus? 
Amir Roughani: Zeit für mich selbst, Zeit zum Reflektieren. Ich bin in vielen Unternehmen meiner Unternehmensgruppe auch operativ tätig, habe eine Tochter, bin alleinerziehender Vater und hatte in den letzten Jahren für mich persönlich sehr wenig Zeit. Ein oder zwei Stunden Zeit für mich zu haben und mich als wissbegieriger Mensch über etwas Neues zu informieren, genieße ich sehr. 
 

Vielen Dank für das interessante Interview!

Redaktion: Mag. Sarah Eibl 
Gespräch: Mag. Eva-Maria Weidl 

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